Sie werden gehypt, geliebt, kritisiert und geprügelt.
Zeit ein paar Anmerkungen zu machen.
- Die Piraten haben kein Programm und sind daher bestens dazu geeignet eigene Wünsche und Vorstellungen einer „anderen“ Politik auf diese zu projizieren. Somit ist für jeden was dabei, weil es ja kaum etwas gibt, an dem man sich reiben könnte. Diese Inhaltsleere spielt aber keine Rolle, da das anders sein völlig ausreicht. Die 2 wichtigsten Gründe für den Erfolg der Piraten: „Sie sind anders als alle anderen Parteien“ und „jung und wild“ sind sie auch. Die Einschätzung, dass die Piraten in Deutschland und (bald auch) in Österreich Erfolg haben, habe primär mit Internet, ACTA, Urheberrecht etc. zu tun ist völlig falsch.
- Der Vorwurf Piraten seien sich nicht immer einer Meinung ist als Vorwurf an sich ziemlich grotesk. Einer Partei zum Vorwurf zu machen sie sei nicht stromlinienförmig sagt mehr über den Absender als den Adressaten der Kritik aus.
- Die Kritik, es sei schlecht zu sagen „Ich weiß es nicht“, wenn man etwas nicht weiß ist ebenso nicht nachvollziehbar. Noch schlimmer: Man tut auf Kritikerseite oft so als seien die Piraten eine Gefahr, weil ahnungslos. Nun. Jeder der schon mal eine Parlamentsdebatte verfolgt hat, weiß, dass im österreichischen Nationalrat mindestens 50% Ahnungslose sitzen. Worst case: Ein paar Ahnungslose verdrängen andere Ahnungslose. Mit dem Unterschied: die neuen Ahnungslosen verwehren sich gegen Klubzwang und Parteienherrschaft. Schlecht?
- „Wie sollen denn diese Nerds Wirtschafts- und Finanzpolitik machen?“ Nun. Wie die hochseriösen Herrschaften Merkozy Finanz- und Wirtschaftspolitik machen wissen wir. Und das Ergebnis kennen wir auch. Könnte ein Ergebnis mit Piratenbeteiligung schlimmer ausfallen? Wohl kaum.
- Im Moment könnte man 5 Hydranten unter dem Namen „Piraten“ zur Wahl aufstellen und es würde auch funktionieren. Weil die mediale Begleitung der Ereignisse rund um die Erfolge der deutschen Piraten das Label bekannt gemacht haben und jeden Tag bekannter machen.
- Man muss vor den Piraten keine Angst haben. Ob sie eine Bereicherung sind, wird sich weisen. Eine Proteststimme für noch so naive, ahnungslose Nerds ist allemal besser als eine Proteststimme für die FPÖ.
- Die Piraten profitieren einfach von der Proteststimmung und der Tatsache, dass die Hälfte der Bevölkerung (oder mehr) „unser“ Parteiensystem und deren Spieler –verständlicherweise- einfach satt hat. Filzmaier hat recht, wenn er sagt, dass zur Zeit jede neue Partei Chancen hätte, egal mit welchem Inhalt, solange sie nur anders ist.
- Die Piraten werden hauptsächlich aus drei Bereichen ihre Stimmen holen: Nichtwählerbereich, protestbewegte FPÖ-WählerInnen und Grün-WählerInnen, denen die Grünen zu zahm geworden sind. Logisch, wenn man aus Protest wählen will, dann wird man eine Protestpartei wählen. Die Grünen sind –man kann darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist- keine Protestpartei mehr, sondern eine Partei mit Gestaltungsanspruch.
- Die Piraten würden Rot-Grün verhindern bzw. eine linke Mehrheit verhindern. Auch so eine These. Was man als gelernter Politbeobachter vergisst: Piraten sind weder links noch rechts. Da kann einem vom Antisemiten über Nerd bis Altkommunisten alles unterkommen.
- Unprofessionallität wirkt erfrischend. Eine Zeit lang. Dann wird es uns alle ankotzen.
- Piraten sind eine Männerpartei und in Deutschlang reagieren die Piraten auf diese Kritk erstaunlich dumm. „Sind halt aus der IT, da sind halt mehr Männer“. Ah eh. Die Aussage „Frauen machen nicht gerne Politik, weil sie zuhause eingespannt sind“ ist nicht modern, sondern nur dumm. Sonst nichts.
- Die Kleinheit der Bewegung und die Möglichkeit, dass jeder (kaum jede) mitreden kann, birgt im Aufbau einer neuen Gruppe gefahren. Unterwanderung, die üblichen Verdächtigen etc. Keine Gaudi.
- Wenn die Piraten es nicht schleunigst schaffen Strukturen und Programm aufzubauen dann werden sie ein Strohfeuer sein. Wenn Sie es jedoch schaffen –was zur Zeit nicht sehr wahrscheinlich ist- dann könnten sie einen wertvollen Beitrag zur Erneuerung der Demokratie leisten.
Trifft es auf den Punkt 🙂
Piraten sind einäugig (die meisten tragen auch eine Augenbinde), sie verwechseln das Werkzeug (Online-Beteiligung) mit dem Ziel.
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=56355
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=56104
deine analyse is besser und objektiver als vermutet.
das programm wird demnächst erweitert, aber wir werden net wegen des programms gewählt, sondern aus reinem protest – da hast du vollkommen recht. das programm is dennoch wichtig, weil wir uns 2018 daran messen lassen müssen, was wir von 2013 bis 2018 versucht haben, zu erreichen (undn was wir tatsächlich erreicht haben). den frische-bonus bekommen wir nur einmal.
strukturen werden schwierig. zuviel interne streitereien aktuell. wir (zumindest meine wenigkeit) sind da für jede hilfe dankbar. i kann dir hiermit anbieten, dass wir einander mal treffen. vielleicht hast du ja tipps, die uns mangels erfahrung bisher unzugänglich waren.
die unprofessionalität werden wir ablegen. wir werden irgendwann zu den etablierten parteien gehören. wenn es soweit is, werden wir wieder eine neue partei brauchen, die uns daran erinnert, was 2012 unsere ideale waren. wir haben 900 parteien, aber die hürden, um auf dem wahlzettel zu stehen, sind sehr groß. das muss sich ändern, damit sich mehr parteien an der formung unserer demokratie beteiligen können.
CU TOM
Alles richtig, aber am Ende ist (leider) nur dein fünfter Punkt wirklich relevant: „Im Moment könnte man 5 Hydranten unter dem Namen „Piraten“ zur Wahl aufstellen und es würde auch funktionieren.“ Strike!