An die Wähler von Trump, Hofer und Co.: Ihr seid alle Trottel. Wir anderen aber auch.

Es war der 1. Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl. Die ersten Ergebnisse trudeln ein. Hofer liegt vorne. Ich packe es nicht. Schock. Ungläubiges Staunen. Was zum Teufel ist hier passiert?

Eigentlich wollte ich schlafen gehen. Das Rennen würde ohnehin klar zugunsten von Hillary ausgehen. Bleibe vor dem TV hängen. Trump wird Präsident. Oida.

Wie geht das alles? Warum passiert das? Was ist hier los? Das ist doch alles nur noch verrückt, oder?

Ich habe die Hofer-Wähler als Trottel bezeichnet, weil sie einen Rechtsextremen wählen. Wenn man einen Rechtsextremen wählt, dann ist man entweder rechtsextrem oder ein Trottel, so argumentierte ich. Nun liest man in vielen Kommentaren, dass man die Wähler Trumps oder Hofers nicht als Trottel bezeichnen dürfe, weil das ja arrogant wäre. Nun, von mir aus arrogant, aber meiner Einordnung nach aber trotzdem richtig.

Wie sehen solche Menschen die Welt, denke ich mir. Und versuche ein wenig in deren Welt und Motivlagen einzutauchen. Ich bemerke schnell, dass vieles von dem, was in diesen Menschen vorgeht auch in mir vorgeht. Dass vieles von dem, das mich stört auch die stört.

Wie schaut das Denken von solchen Menschen aus? Was regt sie auf? Was wollen sie? Was nehmen sie wahr?

Ich versuche mich in sie hineinzudenken.
Ich versuche, zu ergründen, wieso solche Politikertypen gewählt werden.
Ich versuche einmal, die Welt aus deren Sicht zu sehen und zu beschreiben.

Es gibt viele Gründe, warum jemand Trump oder Hofer wählt.

Ich glaube, dass Menschen, die diese Typen wählen, ungefähr so denken:

Der Hauptfeind: Die Elite | Das Establishment | Die Politische Klasse

Die da oben richten es sich doch alle. Und das noch dazu auf meine Kosten. Die ganze Politik denkt doch nur an Machterhalt und ihre eigenen Posten und die Posten für ihre Parteigänger. Denen geht’s gut. Die kassieren volle Länge. Egal, ob in der Politik, den staatsnahen Betrieben oder in Gewerkschaften und Kammern. Und die Beamten kriegen alle auch zu viel. Die kriegen alle fette Pensionen und ich weiß nicht einmal, ob ich überhaupt einmal eine bekomme, von der ich einmal leben kann. Denen bin ich wurscht. Die lachen wahrscheinlich sogar über mich. Wann haben die das letzte Mal etwas für mich getan? Ich gehe nicht wählen, hat keinen Sinn. Oder ich wähl einmal jemanden, der es denen zeigt. Ich will sie auf Knien sehen, diese Arschlöcher.

Politiker und die Realität

Politiker verarschen uns doch nur noch. Man dreht den Fernseher auf und hört „Die Pensionen sind sicher“ oder andere Lügen. Ich weiß doch genau, dass der lügt, wenn er das sagt. Warum sagt er es dann trotzdem? Die reden doch von einer Realität, die mit der Welt, in der ich lebe, nichts mehr zu tun hat. Die wollen mich für dumm verkaufen. Das macht mich wütend. Sehr sogar.

Die Sprache der Politiker

Politiker sprechen eine eigene Sprache. Eine Sprache mit der man viel redet, aber nichts sagt. Man verklausuliert, gibt keine klaren Antworten, man spricht auch nicht so wie die Mehrheit der Menschen. Politiker zeichnen keine klaren Bilder, treffen keine klaren Aussagen. Sie zeigen mir mit jedem Satz, dass sie anders sind als ich.

Die Sehnsucht nach einfachen Antworten

Ich verstehe nicht mehr, was hier passiert. Unsere Welt ist kompliziert geworden und damit auch ihre vielen Probleme. Ich fasse das, was hier passiert, nur noch schwer oder gar nicht und was es eigentlich konkret für mich bedeutet. Es erklärt mir ja auch niemand. Ich hätte gerne einfache Antworten. Antworten, die ich auch verstehe.

Lautstärke in der Welt von heute

5.000 Botschaften prasseln heute auf mich ein. Jeden Tag. Ich merke mir DREI davon. Dazu kommen soziale Medien, um aufzufallen, muss man schon besonders sein. Wir leben in einer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie, dies führt dazu, dass man laut sein muss. Sehr laut. Nur dann wird man gehört. Das führt dazu, dass der Populismus von der Ausnahme zum Standard wird bzw. ist er es schon. Ein Schelling, der von einer schwarzen Null spricht und eine ÖVP, die sich gegen Schulden ausspricht, aber selbst ständig welche macht. Eine SPÖ, die von ihrem „Die Pensionen sind sicher!“ nicht abweicht, nix ist sicher, es ist reiner Populismus. Sie sind um nichts besser als die FPÖ. Um nichts.

Die Welt der Konzerne und Banken

Tausende Milliarden werden in Steueroasen gebunkert, der Steuerzahler haut die Banken mittels Rettungspaketen aus brenzligen Situationen raus. Multinationale Konzerne zahlen kaum Steuern, die Politik hat die notwendigen legalen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Die richten es sich, während ich Steuern zahle wie ein Trottel. Was heißt da Demokratie? Blödsinn, „die“ haben das Sagen!

Irgendwas stimmt hier nicht

Spricht man mit Leuten, wie sie die Welt so sehen und stellt ihnen die Frage: „Und, was meinst. Wie rennts im Moment so auf der Welt und in der Gesellschaft?“, so bekommt man eine Antwort: „Es rennt alles falsch. Das passt doch alles nimma zsamm. Irgendwas stimmt hier nicht.“ Und dann geht’s rasch von den Gstopften, über Klimapolitik, Kriege zur Registrierkassa oder zur Krone-Schlagzeile von gestern. Es passt nix mehr. Man kanns kaum beschreiben, viele konkrete Beispiele werden genannt, aber entscheidend ist das Gefühl. Und dieses Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, das habe ich.

Ich scheiße auf Euren Paternalismus

Ihr wollt mir ständig sagen, was ich zu tun oder zu denken habe. Wenn mir mal was rausrutscht bin ich gleich ein Sexist, Rassist oder ein Nazi. Ich fahre gerne Auto verdammt, ich will nicht Rad fahren. Natürlich weiß ich, dass Rauchen schlecht ist, aber ich rauch halt gern. Warum soll ich meiner Tochter keine Puppe mehr kaufen dürfen, bin ich eine schlechte Mutter? Jetzt muss man ja BürgerInnenkrieg schreiben. Irgendwie verstehe ich nicht mehr, was die da oben wollen.

Bedrohung der kulturellen Identität

Jetzt hat schon wieder ein Zuwanderer ein Geschäft aufgesperrt. Ich weiß nicht, ob es in dreißig Jahren überhaupt noch einen Heurigen in Ottakring gibt. Nein, es sind eh einige von denen in Ordnung, aber es sind mir ehrlich gesagt schon zu viele hier. Warum muss man immer helfen, ich mein, mir hilft ja auch keiner. Ich habe gelesen, dass man im Kindergarten keinen Nikolo-Besuch mehr macht, weil das nicht mehr geht, wegen Religion und so. Die Flüchtlinge und Ausländer kriegen viel mehr Kinder als wir. Bald sind wir hier im Bezirk nicht mehr in der Mehrheit. Abends fühle ich mich manchmal schon unwohl auf der Straße. Aber bei uns ists eh noch gut. Und wenn ich vom Land wäre, dann wäre ich der Meinung, dass es in der Stadt wohl die Hölle sein muss. Dort gibt’s keine Vereinsfeste wie bei uns. Aber im Dorf gibt’s jetzt auch drei Flüchtlinge.

Hätte ich Migrationshintergrund und wäre seit Jahrzehnten hier: Es sind schon zu viele da. Die wollen sich ja nicht einmal integrieren, ich hab mich integriert. Ich habe auch schon die Staatsbürgerschaft. Ich verstehe eh, dass alle hier her wollen, aber irgendwann ist Schluss.

Es geht nicht um Neid

Den Asylanten schieben sie alles in den Arsch. Wir haben eh kein Geld, 300 Milliarden Schulden hat der Staat. Die haben noch nie etwas einbezahlt, aber kriegen mehr als ich Pension kriegen werde. Neidig? Nein, das hat nichts mit Neid zu tun. Ich finde das nicht gerecht. Den Politikern sind die Nichtsnutze und Ausländer wichtiger als ich. Warum kriegt einer, der nichts arbeitet mehr Geld als ich, obwohl ich 40 Stunden arbeiten gehe; oder von mir aus 200 EUR weniger? Für 200 EUR mehr soll ich arbeiten gehen?

Außerdem hab ich keine Eltern, die mir was vererben können. Die Gstopften müssen nix zahlen, wenn die was erben, aber ich muss so hohe Steuern auf Arbeitseinkommen zahlen? Wenn ich gstopft wäre, dann wäre ich natürlich dagegen.

Außerdem: Frauen!

Die Hillary hätte ich eh nicht gewählt. Weil, Entschuldigung, Frauen in der Politik? Nicht bös sein. Aber das ist ja anstrengend und da muss man auch stark sein. Die neue Ministerin, die hat sich sowieso nur hochgeschlafen.

Wäre ich eine Frau, dann würde mich kränken, dass ich nichts wert sein soll, nur weil ich nicht arbeiten gehe, weil ich lieber bei meinen Kindern zuhause bin. Und in der Arbeit verdienen die Männer viel mehr als ich.

EXPERIMENT ENDE.

So irgendwie stelle ich mir die Welt dieser Menschen vor. Und jetzt einmal ehrlich: Vieles davon sehen wir doch auch so. Nehmen wir den sexistischen und rassistischen Scheiß weg und schon sind meine Gedanken im Prinzip nicht so weit von den Gedanken dieser Menschen entfernt. Bin ich also auch ein Trottel?

Nein, man ist kein Trottel, wenn man die Welt so sieht. Wenn man aber glaubt, dass die eigene Welt besser werden würde, wenn man diese Typen wählt, ja, dann ist man ein Trottel. Im Falle Trumps besonders amüsant: Der Typ ist Establishment. Der Typ zahlt keine Steuern. Aber egal. Er ist laut und anders und sagt es denen rein.

Ich stelle mir aber mittlerweile eine andere Frage. Sind wir, die wir die Parteien und Politiker wählen, die für den Zustand unseres Landes, Europas, der Welt verantwortlich sind, denn nicht auch Trottel? Weil wir diese Dinge am Leben erhalten, die uns eigentlich eh nicht passen. Wir merken ja, dass das alles so nimma geht und keinen Sinn macht, oder? Sind wir also Trottel?

Ja, ich denke, das sind wir. Aber in unserer Wahrnehmung halt die moralisch überlegenen, gebildeten, anständigen, guten Trottel. Aber Trottel bleibt halt trotzdem Trottel.

Es wäre Zeit, was zu tun.  Aber der (österreichische) Konjunktiv ist als Flucht vor der Verantwortung gar vorzüglich zu verwenden.