Evolution. Neustart. Aber wirklich. Medienbeobachter, und glaubt man neuesten Umfragen auch die werte Wählerschaft kriegen sich über den ÖVP-Neustart vor lauter Freude gar nicht mehr ein. Das ist umso erstaunlicher als es keinen Neustart gibt. Der Parteiobmann wurde ausgetauscht bzw. ist der alte Obmann waidwund geschossen vom Felde gekrochen. Mehr ist nicht passiert. Es gab mit Mahrer und Schelling ein Signal, mehr ist nicht passiert. Die Bünde, die Landeshauptleute, die Probleme im urbanen Raum, die festgefahrenen Positionen bei Familien-, Bildungs- und Steuerpolitik: noch immer festgefahren. Es ist nichts passiert. Trotzdem gibt es Aufbruchsstimmung, trotzdem gibt es eine Erwartungshaltung, die der ÖVP im worst case sogar das Genick brechen kann.

Die Ausgangslage für die ÖVP ist trotzdem nicht die Schlechteste, im Gegenteil. Das Ministerteam der Volkspartei ist das Attrakivste seit sehr langer Zeit. Schelling und Brandstetter sind unbestrittene Experten auf ihrem Gebiet, Mahrer und Karmasin könnten für die softe Öffnung in Gesellschaftspolitik und Parteiorganisation stehen, Rupprechter ist immer wieder für einen sympathischen Sager und die ungeschminkte Wahrheit zu haben, Kurz ist und bleibt Kronprinz und fehlerfreier Superstar der österreichischen Innenpolitik und Mitterlehners Aussehen, speziell seine blaue Augen machen jenen von HC Strache Konkurrenz und werden ihre Wirkung in der weiblichen Wählerinnenschaft nicht verfehlen. Das klingt wahnsinnig oberflächlich, es stimmt halt nur leider trotzdem.

Vergleicht man das VP-Team mit  Stöger, Steßl, Faymann und Co. muss der SPÖ eigentlich die Todesangst ins Mark fahren. Faymann wirkt im Vergleich zu Kurz wie ein alternder Apparatschik ohne Wollen, ohne Können, ohne Zukunft.

Wenn die ÖVP die Gunst der Stunde nützen will, muss sie ihre Wirtschaftskompetenz in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda stellen. Das Image der ehemaligen Volkspartei hat schwer gelitten, aber trotzdem traut eine Mehrheit der Bevölkerung den Schwarzen einen besseren Umgang mit Steuergeld zu, als den Roten. Die ÖVP muss akzeptieren, dass ihre Zeit als alle einschließende Volkspartei vorbei ist. Sie muss zur Wirtschaftspartei werden, Werte wie Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft müssen durch glaubwürdige Taten wieder mit Leben erfüllt werden.

Glaubwürdige Taten bedeuten automatisch den Konflikt mit den Verteilföderalisten, mit den Besitzstandswahrern in der Beamtengewerkschaft und mit anderen Klientels, die man verärgern wird müssen.

Kurzum: Die ÖVP hat dann eine Chance, wenn sie es schafft nicht mehr an sich selbst und an die eigenen Machtposition zu denken, sondern schmerzhafte Reformpolitik gegen alle Widerstände durchzieht.  Das wiederum wäre nicht nur ein Neustart für die ÖVP, es wäre etwas in der Tat Neues in der österreichischen Regierungspolitik. Und das würde vom Wähler wohl belohnt werden.

Schafft das die ÖVP nicht, wird sie Zeiten herbeisehnen in denen sie inUmfragen bei 20% lag. Es ist die letzte Chance der ÖVP, aber sie war seit Jahren nicht so groß wie dieses Mal.