Alles spricht über die Piraten. Das nun schon eine gewisse Zeit. Eine Gruppe, die inhaltlich -mangels Programm- schwer einzuordnen ist, bekommt eine Medienöffentlichkeit und immer mehr bin ich eigentlich genervt von dem was ich lesen, sehen und hören muss.

Eh cool, dass jemand anders ist und eh cool, dass man sich dem Politikersprech verweigert und eh cool, dass man Demokratie will und eh cool, dass „alle“ mitreden sollen und eh cool, dass ein loses Kollektiv wichtiger sein soll als ein Alpha Wolf an der Spitze und eh cool, dass man voll für moderne Formen der Partizipation ist und eh cool, dass ich für ein Whitney-Houston-Video oder ein Buch nichts bezahlen müssen soll und eh cool, dass man es einfach besser machen will als die bestehenden politischen Player und eh cool, dass man via Kabelfernsehen deutsche Männer in Latzhosen oder mit psychischen Blockaden ins Wohnzimmer geliefert bekommt, die eh lieb sind. Alles eh cool. Arrrrrrrrrrrrrr!

Vom Arrrrrrrrrr! zum Arg ist es aber nur ein Buchstabe.

„Man wird ja noch sagen dürfen“. Und wenn dann mal ein Nazi an Bord kommt, dann ist’s ja nicht so schlimm, solange der Nazi auch für die voll coolen Sachen ist. Nazi in Latzhosen. Oder ein Nazi der sagt „Deutschland habe Polen ja eh angreifen müssen“. Wurde gezwungen also. Und mit dem Zwang haben es Piraten ja nicht so.

„Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933“. Sagt nicht irgendwer, sagt der Geschäftsführer der Berliner Piratenfraktion, Martin Delius.

Jede Organisation oder Partei läuft natürlich gerade in der Gründungsphase in die Falle sich die ein oder andere Arschwarze einzutreten. Man ist gut beraten Mechanismen und Prozesse zu schaffen die so etwas verhindern. Haben die Piraten nicht. Man ist ebenso gut beraten, wenn man diese Firewall schon nicht hat, zumindest zu reagieren und zu agieren wenn ein Problem am Tisch liegt. Und ein Nazi ist ein Problem. Sehen die Piraten nicht so. Und damit sind die Piraten in diesem Punkt ein Problem. Punkt.

Man will ja offen sein. Lieber den Arsch offen haben als Stellung zu beziehen. Antifaschistischer Grundkonsens ist voll Commodore 64. Ich sage: Wer nicht willens oder in der Lage ist hier eine unmissverständliche Abgrenzung vorzunehmen hat in der politischen Arena nichts verloren. Aber schon gar nichts. Das gilt immer schon für die FPÖ und jetzt auch für die Piraten. Wobei man es von der FPÖ gewohnt ist. Was mich wirklich fassungslos macht ist die Tatsache, dass eine Gruppe von Internetnerds die Modernität und Urbanität eigentlich kennen und schätzen sollte, in diesem Punkt so eine Wurstigkeitshaltung einnimmt.

Diese Diskussion nimmt in Deutschland zur Zeit einen breiten Raum ein und das Handling dieser Debatte von seiten der Piraten ist einfach letztklassig. Und wenn ich noch einmal etwas lese à la : „Was soll die Aufregung? Ich bin 1985 geboren, ich kannte die Nazis gar nicht.“, dann kotze ich auf meinen Bildschirm.

Die Piraten in Österreich sind de facto ja nicht existent. Noch nicht. Keine Inhalte. Kein Programm. Keine Personen.

Eine Person mit eigenem Programm gibt es aber: den Herrn Ofer, der nun im Innsbrucker Gemeinderat sitzt. Der will alles streamen. Und die Bürger informieren. Und mehr Demokratie. Und so. Wo wir wieder beim „Eh cool“ sind.

Auf die Frage wofür die Piraten stehen sagt er im Interview mit der Sonntags-Krone: „Das ist ganz einfach zu beantworten. Die Piraten wollen ein neues politisches System etablieren. Sie sind für gerechte Demokratie, für Transparenz und Freiheit.“

Klingt nach Faymann. Gesundheit für alle. Alle Menschen haben es sich verdient mit Respekt behandelt zu werden. Es ist unfair, dass in einem Ort mehr Sonne scheint als im anderen.

Doch nun zur Nazi-Debatte: Auf die Frage, ob es denn von den deutschen KollegInnen richtig gewesen sei, einen Rechten in ihren Reihen zu dulden: „Ich finde schon. Die meisten sind ja deshalb rechts, weil sie sehen: Der Rechtsstaat greift nur bei den Armen durch, aber die Reichen kommen frei, egal was sie anstellen, wie viele Millionen sie unterschlagen. Ein Kleiner hingegen wird schon wegen Peanuts für zehn Jahre verknackt, nur weil er eventuell gerne eine Tüte raucht!“

Scheinbar sind die Piraten nicht nur Post-Gender, sondern auch Post-Hirn.

Einen inhaltlichen Punkt macht er dennoch: “ Ich bin für eine Flat-Tax von zehn Prozent, weil ich sage: Lieber zehn ehrliche Prozent von jedem als der Höchststeuersatz von einigen, die noch viel, viel mehr hinterziehen. Steuer, Steuer, Steuer, ja, was wollt ihr noch alles von uns?“

Wieder: Eh cool, 10 Prozent Steuern. Und wieder: Arg.

Der gute Mann gibt an an paranoider Schizophrenie zu leiden und bringt zur Kenntnis, dass er eh ganz gut mit Medis eingestellt sei. Wir wollen ihm das glauben, was das Gesagte noch schlimmer macht.

Und wenn dann Piraten sagen, der Ofer sei kein Pirat, dann wirds kompliziert. Die Piratenpartei Österreichs streitet mit der Piratenpartei Tirol. Gratuliert aber zum Wahlerfolg und sucht nun schon wieder die Annäherung.

Die Piraten machen einen entscheidenen Fehler: Sie wollen offen sein, sind aber beliebig. Und wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht.

Ja, unser Parteiensystem bräuchte Erneuerung. Ja, wir bräuchten jemanden der dieses Schiff wieder auf Vordermann bringt. Nein, wir brauchen niemanden der das Schiff entert um noch mehr Löcher aufzureissen und damit das Schiff noch schneller zum sinken bringt.

Also liebe Piraten (das Binnen-I spare ich mir mangels AdressatInnen in der Piratenpartei):

Die Schonzeit ist vorbei.

Inhalte, Visionen samt Weg dorthin, klare Werteansagen, konkrete Positionen zu den drängendsten Problemen und Herausforderungen unserer Zeit. Auf den Tisch.

So schnell wie möglich.